uncobo steht für unconventional books .
Eine Anekdote über den vor hundert Jahren, am 1. August 1925 geborenen österreichischen Dichter Ernst Jandl († 2000) erzählt vom Vorhaben, ein Buch mit biografischen Gedichten herauszubringen. Als Jandl von seinem Lektor per Telefon angefragt wird, protestiert er: Er habe NIE ein biografisches Gedicht geschrieben. Die Idee des Verlags scheint eine Totgeburt. Wenige Tage später ruft Jandl zurück und sagt: Er habe NUR biografische Gedichte geschrieben! – Ich mag diese Geschichte sehr. Es ist auch eine Geschichte über das Unkonventionelle in der Literatur. Über alles und nichts.
Sind nicht ohnehin alle guten Bücher unkonventionelle Bücher? Sind nicht zugleich alle Bücher konventionell? Papierseiten zwischen Buchdeckel. In der Regel lesbar von vorne nach hinten, obwohl sie an jeder Stelle aufgeschlagen werden können. Mit Nässe und Feuchtigkeit kommen Bücher nach wie vor schlecht zurecht. Daran hat sich seit den frühesten Buchdrucken im Korea des 8. Jahrhunderts v.Chr. nichts geändert. Was ein gutes Buch ausmacht, darüber lässt sich natürlich streiten.
Das Wort konventionell leitet sich vom lateinischen conventio ab – Übereinkunft, Zusammenkunft. Auch in diesem Sinn sind alle Bücher konventionell. Sie stellen Übereinkünfte dar. Schreibende und Dichtende treffen im Buch mit Lesenden zusammen. Das Buch ist der gemeinsame Raum, auf seinen Seiten findet Begegnung statt. Das unkonventionelle Buch stellt diese Übereinkunft nicht in Frage. Worin ist es dann unkonventionell?
Bleibt der Inhalt des Buchs, sein Text, seine Erzählweise, was gesagt wird im Buch und wie es gesagt und vermittelt wird sowie die optische und haptische Gestaltung des Buchs, Layout, Typographie.
Man kann auf mittelmäßige Weise vermitteln, das machen konventionelle Bücher. Sie verändern wenig bis nichts, sie halten sich an die Gepflogenheiten, sind in konventionellen, oft klischeebehafteten Sätzen geschrieben und schrecken, wecken niemanden auf. Sie berühren nicht übermäßig, weder intellektuell noch emotional noch ästhetisch oder spirituell. Sie sind Handelsware. Irgendwer macht ein Geschäft damit. Schon jetzt werden sie mit Hilfe künstlicher Intelligenz geschrieben, in Zukunft schreibt die KI allein. In diesem Sinn sind konventionelle Bücher eben NUR Bücher.
In der Psychologie kennt man die „paradoxe Intervention“, sie zielt darauf ab, durch unerwartetes Verhalten eine Reaktion hervorzurufen und die Mauer der Unverfänglichkeit beim Gegenüber zu durchbrechen. Unkonventionelle Bücher wirken ähnlich. Als Leserin, als Leser horcht man plötzlich auf. Man wird aus den eigenen Gedanken gerissen, provokant oder sanft, beharrlich oder schockartig, man wird herausgefordert, ANDERE Gedanken zu denken, als diejenigen, die man schon kennt. Der Schweizer Aktionskünstler Dr. Walter Siegfried verwendet das Wort „Erkenntnisglück“ für die Momente, in denen Herz & Hirn zu hopsen beginnen vor Freude über etwas, das man auf einmal begriffen hat. Irgendetwas über die Gesellschaft, über die Welt, über sich selbst.
Unkonventionelle Bücher erzeugen und bezeugen POETISCHE GEGENWART. Sie besitzen eine Ausstrahlung, eine Aura, sind magisch, heilig, Fetisch, Kleinod, liegen auf dem Nachttisch neben dem Bett, selbst wenn man lange nicht darin liest. Denn wie Fahrräder sind Bücher zeitlos geniale Erfindungen. Transportmittel von hier nach dort. Walter Benjamin sagte über das Lesen, es sei „ein eminent telepathischer Vorgang“. Auch das Schreiben ist ein eminent telepathischer Vorgang. Telepathie bedeutet, ganz bei sich zu sein, zentriert, in der Mitte des Seins, und gleichzeitig ganz offen, empfangsbereit, in der Mitte allen Seins. Alles und nichts. Und wenn es gelingt, können wir mit toten und lebenden Autor:innen und Dichter:innen kommunizieren, uns in ferne Gegenden teleportieren, Bücher in fliegende Teppiche verwandeln, in ihnen spazieren gehen wie in blühenden Gärten und unsichtbaren Städten, Bücher, die helfen, trösten, heilen, die uns mit dem eigenen Leben in Berührung bringen, wenn sie von anderen Leben erzählen.
Das Label uncobo entstand aus dem Bedürfnis heraus, Bücher zu schreiben und zu veröffentlichen, deren Entstehung mir als Autorin größtmögliche künstlerische und literarische Autonomie und Freiheit erlaubt. Das bedeutet kleine Auflagen, Slow-Publishing, Publizieren jenseits des Buchmarkts.
Als erstes Buch der uncobo-Reihe ist das Buch BAUSTAUB erschienen. Es geht darin um die Renovierung eines alten Bauernhauses und um eine Menge Staub. Das Buch wurde von der Grafikerin Susanne Erasmi von der Münchner Agentur Erasmi und Stein gestaltet und im radikalen Flattersatz gesetzt. Der Vertrieb erfolgt hier über die Website.